In den letzten Monaten habe ich in vielen Beispielen erlebt, warum Entwickler enge Zeitvorgaben bekommen. Das ist natürlich nicht repräsentativ und beruht auf meiner ganz subjektiven Wahrnehmung. Ich will damit auch nicht unterstellen, dass ein Vorgesetzter wirklich so denkt. Ich vermute aber dass wenigstens unterbewusst folgende Faktoren eine Rolle spielen. Erschwerend kommt hinzu, dass ich selber Entwickler bin… also bitte nichts Objektives erwarten.

Aber erst mal Hand aufs Herz: Entwickler machen den Job, weil er ihnen Spaß macht, oder? Ich kenne nur wenige Entwickler, denen es keinen Spaß macht Software zu entwerfen und zu schreiben. Gerade das autonome Arbeiten an kleinen überschaubaren Programmen (meist "Werkzeuge" genannt) ist beliebt.

Die meisten Entwickler haben eine deutliche Technik-Affinität. Dazu gehört auch der Einsatz und der Test von neuen Programmiertechniken. Entwickler sind fast ausnahmslos sehr genaue und präzise Menschen, die auch vor Details nicht zurückschrecken. Ist ja auch klar: Wenn man dem Blechkasten nicht genau sagt, was zu tun ist, dann läuft es nicht. Es soll sogar Entwickler geben, die von Betriebswirten als pedantisch empfunden werdenn. Die oben genannten Eigenschaften führen gerne dazu, dass Entwickler etwas einseitig wahrgenommen werden.

Meiner Erfahrung nach haben Entwickler aber auch noch eine andere hervorragende Eigenschaft: Sie können sich beliebig lange mit einem Problem/Programm beschäftigen ohne dass ihnen die Arbeit ausgeht…
Als Beispiel fällt mit das kleine Kaffee-Programm ein, dass jahrelang in unserer Abteilung zum Einsatz kam: Wer sich eine Tasse nahm, rief das Programm auf und auf dem Server wurde für die Person eine Tasse Kaffee gezählt. Bald wurde ein "Tassenfaktor" eingeführt, der den Preis je nach Größe der Tasse berechnete (einige Kameraden hatten vielleicht Schüsseln!). Natürlich ist das ein schlechtes Beispiel, weil Kaffee für Entwickler eine sehr hohe Bedeutung hat… ;.)

Ich habe es aber oft genug erlebt, dass ein Entwickler im Bemühen seine Aufgabe gut zu machen, wirklich viel Arbeit in eine ansonsten eher unbedeutendes Detail steckte. Danach ist das Programm echt klasse und sehr beeindruckend. Für die Aufgabe hätte aber eine ganz einfache Ausführung genauso gute Dienste geleistet. Aber wäre der Entwickler dann mit seiner Leistung zufrieden gewesen? Hätte ihm auch nach einem Jahr noch jemand auf die Schulter geklopft und sich beeindruckt gezeigt?

Jedem Chef dem es einmal passierte, dass ein Mitarbeiter aus seiner Sicht für so etwas seine Zeit "verplemperte", der wird seine Lehre daraus ziehen.

Ein anderes Beispiel: Ich erlebte mehrfach, dass ein Entwickler mit seiner Aufgabe so ausgelastet war, dass er keine Zeit mehr hatte, um die Doku auch noch zu machen. Dann müsse der Termin um drei Tage verschoben werden oder das Feature XY wegfallen werden, das gehe schließlich nicht. Also wurde vorerst keine Doku gemacht. Nach Ablauf der Frist war das Programm tatsächlich fertig, aber aus ganz dringenden Gründen war mal eben noch diese und jene Funktion eingebaut worden. Und das ohne Terminverschiebung oder etwas weglassen zu müssen.

Was wird ein vernünftiger Chef das nächste Mal machen, wenn er die Aufgabe und Termine verteilt? Wird er großzügige Puffer einbauen und das den Entwicklern sagen?